Er ist gelernter Buchhändler, deutschlandweit bekannt aber als ebenso stimm- wie wortgewaltiger Kabarettist: Jochen Malmsheimer. Der 57-Jährige ist Träger des Prix Pantheon (als Teil des Duos „Tresenlesen“), des Deutschen Kleinkunstpreises und des Deutschen Kabarettpreises.

Im NN-Interview spricht Malmsheimer über Traumberufe, seine Ausbildung nach dem abgebrochenem Studium, über die Zeit als Buchhändler und seinen Werdegang als Kabarettist.

Herr Malmsheimer, hatten Sie als Kind auch einen Traumberuf?
Jochen Malmsheimer: Oh ja, sogar mehrere. Ich wäre unglaublich gerne Astronaut geworden, und ich wäre auch gerne Kapitän geworden. Das Dumme an Traumberufen ist aber, dass einem keiner sagt, wie man sie erreichen kann – und daran ändert sich bis ins hohe Alter nichts. Das ist sehr doof, und deshalb versuche ich, es bei meinen Kindern zu ändern.

Das heißt?
Malmsheimer: Ich habe meinen Kindern gesagt, sie sollen – egal, was es ist – das machen, woran sie große Freude haben. Ohne darauf zu achten, was es später einmal einbringt, ob es jemand braucht oder ob es gesellschaftlich akzeptiert ist. Das alles ist mir vollkommen egal – es muss ihnen Freude bereiten. Denn Dinge, die man mit Freude und Liebe macht, die macht man gut – und dann ergibt sich immer etwas.

Haben Sie das auch so mitbekommen als Kind?
Malmsheimer: Leider nicht, sonst wäre ich ja Kapitän oder Astronaut.

Stattdessen wurde es ein Literatur- und Germanistik-Studium.
Malmsheimer: Das war schon eine Neigungsentscheidung. Ich habe mich immer dafür interessiert – und tue es bis heute –, bin literarisch interessiert und geprägt. Das war jetzt keine allzu komplizierte Entscheidung. Was ich allerdings nicht wusste war, wie sich das Studium entwickelt und was man unter dem Mäntelchen der Germanistik alles studieren muss. Das hat dann – sagen wir es mal vorsichtig – zu gewissen Dissonanzen geführt.

Und letzten Endes zum Wechsel zur Ausbildung.
Malmsheimer: Richtig, ich bin dann Buchhändler geworden – ein wunderbarer Beruf, aus dem sich dann allerlei entwickelt hat.

War die Entscheidung für die Buchhändler-Ausbildung auch dem Umstand geschuldet, dass Sie eben literarisch interessiert sind?
Malmsheimer: Genauso war es. Die Nähe zum Buch liegt ja in der Germanistik. Und nachdem es mit dem Studium nichts geworden war, wollte ich irgendetwas mit Büchern machen. Erst habe ich gedacht, ich würde gerne Buchbinder werden, weil ich auch handwerklich sehr interessiert bin. Dann habe ich aber festgestellt, dass ein Buchbinder heutzutage jemand ist, der im grauen Kittel mit der Ölkanne an einer 100 Meter langen Maschine rumläuft – und darauf hatte ich überhaupt keinen Bock. Was ich auch wieder nicht wusste war, dass das, was ich machen wollte, der Kunstbuchbinder war. Davon gibt es in Deutschland ungefähr… fünf – und die nagen auch mehr oder weniger am Hungertuch. So gesehen war es vielleicht doch ganz klug, dass ich mich dazu entschieden habe, Buchhändler zu werden.

Haben Sie in den sieben Jahren, die Sie als Buchhändler gearbeitet haben, auch bereits den Beruf des Kabarettisten verfolgt?
Malmsheimer: Ja, wir haben in dieser Zeit ein wenig „herumkabarettiert“. Wir haben es allerdings damals nicht so genannt. Uns waren Schubladen immer ziemlich egal. Wir hatten sonntags einen schönen Termin in der Kneipe und haben anderen Leuten vorgelesen, und das war wunderbar. Wir wären aber nie auf die Idee gekommen, das Kabarett zu nennen. Wir haben es „Tresenlesen“ genannt, daraus hat sich dann irgendwann meine solistische Arbeit entwickelt.

Wie haben Sie letztlich denn überhaupt den Weg zum Kabarett eingeschlagen?
Malmsheimer: Ich war in der Buchhandlung für die Abteilung „Abseitiges und Besonderes“ zuständig und musste mich ja einlesen. So habe ich nach Feierabend immer Bücher mit in die Kneipe genommen und dort gelesen. Dabei musste ich so lachen, dass irgendwann der Wirt gesagt hat, er würde doch gerne mitlachen. Also habe ich ihm etwas vorgelesen, woraufhin er auch sehr lachen musste. Wir haben uns dann überlegt, daraus eine Abendveranstaltung zu machen, einfach aus Freude. Das haben wir dann auch gemacht, und sie wurde auch ein Erfolg. Als wir uns dazu entschlossen, das Ganze öfter zu machen, habe ich meinen Kumpel Frank Goosen angesprochen – und daraus hat sich alles Weitere entwickelt – wie die Jungfrau zum Kinde.

Wenn Sie heute zurückblicken, was haben Sie von ihrer Ausbildung mitgenommen, vielleicht auch auf die Bühne?
Malmsheimer: Die Begeisterung für das, was ich tue. Das ist es, was ich auch meinen Kindern versuche mitzugeben. Ich war ein wirklich leidenschaftlicher Buchhändler. Bis heute hänge ich an den Gesprächen, die ich geführt, und an den Leuten, die ich kennengelernt habe. Das hat mich sehr geprägt – weitaus mehr, als ich ursprünglich dachte. So etwas wünsche ich meinen Kindern auch: ein Berufsleben, das sie erfüllt.

Ist es heute schwieriger geworden, dieses Ziel zu erreichen?
Malmsheimer: Das kann ich nicht beurteilen. Ich glaube, es wird einem grundsätzlich nicht leicht gemacht. Das war in jeder Zeit so. Warum das so ist, ist mir ein Rätsel. Aber ich glaube nicht, dass es heute schlimmer ist als früher – eher anders. Wie so vieles.

Gehen Sie heute noch gerne in Buchhandlungen?
Malmsheimer: Ich bin in jeder Stadt, in der ich spiele, zuerst in der Buchhandlung. Dummerweise kaufe ich dann meist auch etwas, und das ärgert nicht nur meine Liebste, sondern mich auch manchmal. Aber es ist eine unstillbare Sehnsucht, der ich nachgebe, wo ich kann. Daraus ist im Laufe der Jahre eine Bibliothek mit 5.000 bis 7.000 Büchern entstanden – das ist viel, aber auch schön.

Auf der Bühne sagen Sie gerne mal: „Hefte raus, mitschreiben!“ Haben Sie den Satz als Kind und Jugendlicher selbst oft gehört?
Malmsheimer: Es geht eher darum, dass ich möchte, dass bestimmte Dinge, die mir wichtig sind, beim Publikum hängenbleiben. Darauf weise ich in dieser etwas krummen Art und Weise hin.

Was für Dinge zum Beispiel?
Malmsheimer: Dass man beispielsweise mal nachdenkt, bevor man spricht. Dass man sich auch mal selbst zuhört beim Sprechen. Und wenn man dann auch noch anderen zuhört beim Sprechen, dann glaube ich, sind 80 Prozent der existierenden Probleme gar nicht existent, sondern bereits gelöst.